Wissenschaft

Das Messen von Achtsamkeit – Die Wissenschaft hinter der inneren Stille

Achtsamkeit, ein Begriff, der in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen hat, bezieht sich auf das bewusste und nicht wertende Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments. Die Praxis der Achtsamkeit kann das Wohlbefinden, die psychische Gesundheit und die Lebensqualität verbessern. Doch wie misst man etwas so Innerliches und Subjektives wie Achtsamkeit? In diesem Blogartikel werde ich verschiedene Ansätzen und Methoden vorstellen, die es Forschern und Praktizierenden ermöglichen, Achtsamkeit zu messen.

Die Herausforderung der Achtsamkeitsmessung

Wie man sich vorstellen kann, ist Achtsamkeit messen keine leichte Aufgabe. Schließlich handelt es sich um ein Konzept, das sich in den Tiefen des menschlichen Bewusstseins abspielt. Dennoch es gibt tatsächlich Ansätze, die Forscher und Achtsamkeitspraktizierende nutzen, um diese innere Erfahrung zu quantifizieren.

1. Fragebögen und Skalen

Eine der gängigsten Methoden zur Messung von Achtsamkeit sind Fragebögen und Skalen. Beispiele hierfür sind der Mindful Attention Awareness Scale (MAAS) und der Five Facet Mindfulness Questionnaire (FFMQ). Diese Bögen enthalten Fragen, die das Ausmaß der Achtsamkeit einer Person in verschiedenen Lebensbereichen bewerten. Sie erfassen, wie häufig jemand bewusst handelt, wie leicht er abgelenkt ist und wie er auf herausfordernde Gedanken und Gefühle reagiert

Mindful Attention Awareness Scale (MAAS)

Der MAAS ist ein häufig verwendetes Instrument zur Messung der Achtsamkeit. Dieser Fragebogen wurde von Kirk Warren Brown und Richard M. Ryan entwickelt. Er besteht aus 15 Aussagen, die darauf abzielen, das Ausmaß der Achtsamkeit einer Person im Alltag zu bewerten. Teilnehmer bewerten, wie oft sie sich in bestimmten Situationen achtsam verhalten, auf einer Skala von 1 (selten) bis 6 (ständig).

Beispiel-Aussagen aus dem MAAS sind:

  • “Ich erledige Dinge mehr oder weniger automatisch und ohne mich wirklich bewusst zu sein, was ich tue.”
  • “Ich höre aufmerksam zu, auch wenn mir jemand etwas erzählt, das mich normalerweise nicht interessieren würde.”
  • “Ich eile durch Aufgaben, ohne auf die Details zu achten.”

Die Gesamtpunktzahl auf dem MAAS spiegelt das allgemeine Maß an Achtsamkeit einer Person wider. Höhere Punktzahlen deuten auf ein höheres Maß an Achtsamkeit hin, während niedrigere Punktzahlen auf geringere Achtsamkeit hinweisen.

Hinter diesem Link der Universität von Pennsylvania findet ihr noch mehr Infos und den besagten Fragebogen. Und die Uni Witten/Herdecke bietet den Bogen auf Deutsch.

Habe den Bogen im Selbstversuch ausgefüllt. Denke, ich werde das jetzt mal eine Weile wöchentlich tun, um zu sehen, ob und welche Veränderungen ich am Score sehe.
Aktuell habe ich am 27.10.23 einen Score von 4,13 🙈.

Achtsamkeit messen

Five Facet Mindfulness Questionnaire (FFMQ)

Achtsamkeit messen kann man auch mit dem FFMQ. Es ist ein weiterer verbreiteter Fragebogen. Er wurde von Ruth Baer entwickelt und umfasst fünf Perspektiven der Achtsamkeit:

  1. Beobachtung: Die Fähigkeit, bewusst auf äußere Reize und innere Erfahrungen zu achten, ohne sie zu bewerten.
  2. Beschreibung: Die Fähigkeit, innere Erfahrungen in Worte zu fassen und zu beschreiben.
  3. Achtsame Handlungsweise: Die Fähigkeit, im Alltag achtsam zu handeln und sich bewusst für oder gegen bestimmte Handlungen zu entscheiden.
  4. Nicht-Wertende Haltung: Die Fähigkeit, innere Erfahrungen ohne Urteil oder Kritik wahrzunehmen.
  5. Nicht-Reaktives Bewusstsein: Die Fähigkeit, innere Erfahrungen zu beobachten, ohne auf sie zu reagieren oder sich von ihnen mitreißen zu lassen.

Der FFMQ enthält insgesamt 39 Aussagen, mit sieben Aussagen pro Facette. Die Teilnehmer bewerten, inwieweit die Aussagen auf sie zutreffen, auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht zutreffend) bis 5 (vollkommen zutreffend).

Die Auswertung des FFMQ ermöglicht es, nicht nur das Gesamtniveau der Achtsamkeit zu erfassen, sondern auch die spezifischen Aspekte der Achtsamkeit, die in einer Person stärker oder schwächer ausgeprägt sind.

Diese Fragebögen sind wertvolle Werkzeuge, um das Konzept der Achtsamkeit zu erforschen und in der Forschung sowie in der persönlichen Entwicklung anzuwenden. Sie bieten eine Möglichkeit, die individuelle Achtsamkeit zu quantifizieren und Entwicklungen über die Zeit zu verfolgen.

Auch hier wurde ich für einen Fragebogen auf Deutsch bei der Uni Witten fündig.

Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA)

Der Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA) ist ein Instrument zur Messung der Achtsamkeit, entwickelt von Dr. Niko Kohls, Dr. Tobias Sauer und Prof. Dr. Harald Walach. Der Fragebogen besteht aus 14 Items, die auf einer Skala von 0 bis 3 bewertet werden und verschiedene Aspekte der Achtsamkeit im Alltag erfassen. Der FFA unterteilt sich in drei Subskalen: “Ruhe im gegenwärtigen Moment”, “offenes Nicht-Bewerten” und “gegenwärtiges Erleben”. Dieses Instrument wird in der Forschung und klinischen Praxis verwendet, um das Ausmaß der Achtsamkeit zu messen und die Wirksamkeit von Achtsamkeitsinterventionen zu bewerten. Der FFA hat sich als zuverlässiges Mittel zur Beurteilung der Achtsamkeit erwiesen.

Finden kann man den Bogen hier.

Perceived Stress Questionnaire (PSQ)

Der Perceived Stress Questionnaire (PSQ) ist ein weit verbreitetes Instrument zur Messung des subjektiven Stressempfindens. Der PSQ wurde von Wolfgang Fliege, Beate Rose, Norbert Arck, und Manfred Walter am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entwickelt, und wurde erstmals 2001 veröffentlicht und seitdem in verschiedenen Studien verwendet. Er zielt darauf ab, das individuelle Stressempfinden oder die subjektive Wahrnehmung von Stress zu messen. Er erfasst, wie belastend Menschen ihre alltäglichen Lebenssituationen empfinden.

Der Fragebogen ist aus 20 Items aufgebaut. Diese Items sind in vier Subskalen unterteilt:

  • Belastung,
  • Anspannung,
  • Erregung und
  • Erschöpfung

Die Teilnehmer bewerten, inwieweit diese Aussagen auf sie zutreffen, auf einer Skala von 0 (gar nicht) bis 4 (sehr). Beispiele für Aussagen: “Ich hatte Schwierigkeiten, mich zu entspannen” oder “Ich fühlte mich nervös und angespannt.

Anwendung findet der PSQ in der klinischen Forschung, insbesondere in den Bereichen der psychischen Gesundheit und Stressforschung. Er hilft, das individuelle Stressempfinden zu quantifizieren und kann in der Diagnostik und in der Beurteilung von Stressinterventionen verwendet werden.

Der PSQ wurde auf seine Validität und Zuverlässigkeit hin umfassend geprüft. Er hat sich als ein zuverlässiges Instrument zur Messung des subjektiven Stressempfindens erwiesen und wird weltweit in verschiedenen Forschungsprojekten eingesetzt. Er ermöglicht es Forschern und Kliniker, das Ausmaß und die Auswirkungen von Stress in verschiedenen Populationen zu bewerten und ist ein wichtiger Beitrag zur Stressforschung und -bewältigung.

Ich biete den PSQ auf mindfullify.de auch als kostenlosen Onlinetest an -> PSQ-Stress Fragebogen

2. Neurowissenschaftliche Messungen

Eine der aufregendsten Entdeckungen in der Achtsamkeitsforschung ist, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis tatsächlich Veränderungen in der Struktur unseres Gehirns bewirken kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die Achtsamkeit üben, eine erhöhte Dichte von grauer Substanz in Regionen aufweisen, die mit Lernen, Gedächtnis und Selbstregulation verbunden sind. Dies legt nahe, dass Achtsamkeit nicht nur ein bewusstes Erlebnis ist, sondern auch einen nachhaltigen Einfluss auf die Gehirnstruktur hat. Die Verbindung zwischen Achtsamkeit und Neurowissenschaften zeigt uns, dass Achtsamkeit mehr ist als nur eine subjektive Erfahrung. Sie hat messbare Auswirkungen auf unsere Gehirnstruktur und -funktion. Dieses Wissen trägt dazu bei, Achtsamkeit als einen wirksamen Ansatz zur Förderung von Wohlbefinden und psychischer Gesundheit zu akzeptieren. Wenn Du Dich also jemals gefragt hast, ob Achtsamkeit nur ein vorübergehender Trend ist, kannst Du sicher sein, dass sie auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beruht, die die transformative Kraft des Geistes aufzeigen.

Die Neurowissenschaft hat dazu beigetragen, unsere Kenntnisse darüber zu vertiefen, wie Achtsamkeit im Gehirn abläuft. Durch die Verwendung von Techniken wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) und Elektroenzephalogrammen (EEG) können Forscher Veränderungen in den Aktivitätsmustern des Gehirns während achtsamer Praktiken wie Meditation beobachten.

3. Verhaltensbeobachtung

Die Beobachtung des Verhaltens von Menschen in Bezug auf Achtsamkeit ist ein weiterer Ansatz. Dies kann beinhalten, wie jemand während einer Meditation sitzt, wie er seine Atmung reguliert oder wie er in alltäglichen Aktivitäten aufmerksam handelt. Beobachter können notieren, wie konzentriert und präsent die Person ist.

4. Selbstberichterstattung

Menschen können ihre eigene Achtsamkeit selbst bewerten, indem sie in Tagebüchern ihre Erfahrungen während achtsamer Praktiken festhalten oder in Interviews über ihre Erfahrungen sprechen. Dies bietet Einblicke in die subjektive Erfahrung der Achtsamkeit und wie sie sich im Leben einer Person auswirkt.

5. Physiologische Messungen

Das physiologische Messen von Achtsamkeit ermöglicht es, die Auswirkungen von Achtsamkeitspraktiken auf den Körper zu erforschen. Stell Dir mal vor, Du nimmst an einer Achtsamkeitsmeditation teil. Während dieser Meditation können verschiedene physiologische Parameter beobachtet werden. Zum Beispiel kann Ihre Herzfrequenzvariabilität (HRV) gemessen werden, um festzustellen, wie flexibel Ihr Herz auf Stress und Entspannung reagiert. Diese Messung ähnelt einem Barometer für Ihren emotionalen Zustand, da eine erhöhte HRV auf eine verbesserte Stressbewältigung hinweisen kann.

Des Weiteren wird der Cortisolspiegel, ein Stresshormon, verfolgt. Ähnlich wie ein Thermometer, das den Temperaturanstieg misst, zeigt die Cortisolmessung, wie sich Ihr Stressniveau während der Achtsamkeitspraxis verändert. Die Elektroenzephalographie (EEG) ermöglicht es, Deine Gehirnaktivität während der Meditation zu überwachen und zu verstehen, wie Achtsamkeitsübungen Ihre Gehirnwellen beeinflussen.

Diese physiologischen Messungen dienen dazu, die Veränderungen in Deinem Körper während der Achtsamkeitspraxis sichtbar zu machen und tragen dazu bei, die Mechanismen der Achtsamkeit besser zu verstehen.

Fazit

Die Messung von Achtsamkeit ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber sie ist entscheidend für unser Verständnis dieser wichtigen Praxis. Die Kombination dieser verschiedenen Methoden ermöglicht es Forschern, ein umfassenderes Bild von Achtsamkeit zu zeichnen und wie sie unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit beeinflusst. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Messung von Achtsamkeit nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der persönlichen Praxis wertvoll sein kann, um unsere Fortschritte auf dem Weg zur inneren Stille zu verfolgen. Egal, wie Du Achtsamkeit misst, sie bleibt eine mächtige Kraft für die Förderung des Wohlbefindens und der Lebensqualität.

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